Leadership & Karriere Mindestlohn für Gründer: Warten auf die Kavallerie

Mindestlohn für Gründer: Warten auf die Kavallerie

In jeder Erzählung – Märchen, Roman, Westernfilm – gibt es den Moment, an dem sich alles zum Guten wendet, und er kommt, wenn die Lage am düstersten erscheint. In diesem Augenblick erklingt von Ferne das Signal der Trompete, die Kavallerie sprengt herbei, und die Wagenburg der Siedler ist gerettet. Einzige Ausnahmen von diesem Gesetz sind das wirkliche Leben und der Fußball.

Von diesem Glauben ans Gute getragen war man im März bei mir in der Firma am Schlossplatz zusammengekommen, um sich vom Fachmann die Sache mit dem Mindestlohn erklären zu lassen; man = etwa fünfzehn Startup-Gründer und Personalverantwortliche. Man lauschte, als Fachmann Daniel Frischkorn – der einzige Steuerberater der Welt, dem Steuerberatung weniger Beruf als Leidenschaft und Mission ist – erst einmal die Grundlagen der Unternehmensbesteuerung erläuterte. Und die sind bekanntlich nicht schön; es ist halt die Geschichte davon, wie viel einem unter welchen Umständen weggenommen wird von dem, was man mit eigenen Kräften schuf.

Die Spannung stieg, als wir schließlich zum Thema „Mindestlohn“ kamen. Alle hatten Schlechtes gehört: dass der Mindestlohn ein repressives Korsett sei, das die Grundgesetze der Gründung – viel arbeiten für wenig Geld, weil sich nur so schnell etwas Neues auf die Beine stellen lässt – mit Füßen trete. Dass er die Flexibilität, mit unterschiedlichen Beschäftigungsverhältnissen arbeiten zu können, mit Praktikanten, Kurzprojekten, Freelancern, torpediere. Dass er die Mechanismen von Kontrolle, Stechuhr und „Abzeichnung durch den Vorgesetzten“ einführe in ein Umfeld, dessen Motivation – und Leistungsfähigkeit! – von der Abwesenheit genau dessen abhängig sei.

Aber so schlimm konnte es ja nicht sein; ein bisschen Vertrauen ins Wohlwollen des Staates darf man doch schon haben. Wie gut, dass mit Daniel jemand da war, der einem den Ausweg, die Wendung zum Guten zeigen konnte. Ein Gesetz ist schließlich auch ein geskriptetes Narrativ, nicht wahr, und selbstverständlich gehört dazu das Heranpreschen der Kavallerie. Entsprechend war Ungeduld im Raum zu spüren, als Daniel weitere Zumutungen auflistete: Nein, einfach weniger Stunden aufzuschreiben sei keine gute Idee; im Konfliktfall sei man dann „der Arbeitgeber, der sein Personal zu falschen Angaben gezwungen habe“. Es kam von hüben der ungläubige Einwand, dass man so unter Gründern einfach nicht arbeite und auch nicht arbeiten wolle, und von drüben, dass für das eigene Startup 1500 € und mehr im Monat pro Beschäftigten zur Schließung führen müsse. Aus der letzten Reihe ein Flehen: „Aber das wird doch bestimmt nicht so streng kontrolliert?“ Der ganze Raum lauschte in die Prärie am Alexanderplatz hinein nach dem Trompetensignal, das vom Kommen der Kavallerie kündete.

Aber langsam dämmerte es allen: das Mindestlohn-Skript sieht keine Kavallerie vor. Es ist sehenden Auges ohne Rücksicht auf den Gründer geschrieben worden. Die Staatsmacht schmiedet ihm einfach mal eine Eisenkugel ans Bein – natürlich „aus gut gemeinten Gründen“, wie immer bei Gängelung und Vorschrift. Nein, es gibt keinen Ausweg, und ja, in den Augen der verantwortlichen PolitikerInnen (die vielleicht selber nie gründeten oder auch nur in der wirklichen Welt arbeiteten) sind die, die damit nicht klar kommen, Gauner oder Ausbeuter.

Es war Nacht geworden am Schlossplatz. Man verabschiedete sich voneinander in der Verzweiflung, die in der Wagenburg herrscht, kurz bevor die Munition ausgeht – und nachdem klar geworden ist, dass es die Kavallerie selber ist, die sie belagert.

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